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Zeit, eine Definition des Vergänglichen oder 2 Stunden 38 Minuten und 48 Sekunden

Da war es nun, das Debüt über eine lange Distanz. Wie bei fast allen sportlichen Ersteinsätzen findet sich der Regen als mein treuer Begleiter ein. Graz am 10.10.2004. Ein Datum, eine Zeitangabe. Nun soll es also geschehen. Ich werde 21,1 Kilometer laufen. Steeve war so verrückt und schenkte mir zum Geburtstag, einen jährlich wiederkehrenden Zeitanzeiger des Vergänglichen, die Startgebühr für den Grazer Herbsthalbmarathon. Er meinte man müsse mich zu meinem läuferischen Glück etwas anstupsen, damit ich ins rollen käme. Soll er der Auslöser einer Lawine sein? 

Drehen wir die Zeit zurück, vor etwa 3 Jahren war er es, der mich mit dieser komischen Familie in Kontakt brachte, bei der sich jede und jeder nur laufenden fortbewegt. Also, kurz nachgedacht, quasi überschlagsmäßig, die Lawine ist schon im rollen. Leider gibt es in Österreich sehr gute „Ingenieure“, die ein ganzes Netz an Lawinenverbauten in die Gegend gesetzt haben (gutes Essen, Süßigkeiten und andere Motivationshemmer!) 

 Zwischen meinem farblosen Auftreten beim 10-Stundenlauf in Rechnitz 2004 habe ich es ein einziges Mal geschafft meinen Kadaver in die Laufshort zu zwängen und eine Runde in Viehhausen, bei Salzburg, zu laufen. Ein Monat - einmal laufen!? Tolle Vorbereitung! 

Zeit. Ein seltsames Wort, das so unterschiedliche Definition erfüllen kann, und doch bleibt sie im nackten Sinn nur als eine der physikalischen Grundeinheiten übrig. Sie vergeht oder verrinnt oder verfließt. Sekunden - und schon wieder ist eine Woche um. 

Was bewegt mich also eine Auszeit von 2 Stunden 38 Minuten und 48 Sekunden zu nehmen und sie laufend zu verbringen? Die Auszeit von der Zeit, glaube ich.

Ich wusste um meine körperliche Situation sehr wohl Bescheid und konnte mir ausrechnen welches Tempo ich im Stande wäre zu laufen, ohne mich nicht vor der Zeit verabschieden zu müssen. Meine Taktik beschränkte sich auf die Kontrolle meines Pulses. Den Motor laufen lassen aber nicht zu hoch drehen, da dies ja auch nur Drehungen pro Minute sind, da war sie wieder – die Zeit. Sie wurde zum bestimmenden Faktor. Nach einer Stunde wollte ich bei Kilometer 8 sein, nach 2 bei Kilometer 16, und danach? Was mir noch übrig bleibt in einer angemessenen Zeit zurücklegen! Angemessene Zeit? Wie definiere ich das nun wieder? Schnell, langsam, gleichmäßig? 

Die temporäre Marschroute hielt ich sehr exakt ein, ich war also in der Zeit! Die letzten drei Kilometer vergingen gedanklich sehr schnell. Atmung, Puls, Laufschritt, schon 18 Kilometer aufeinander eingestellt, sie funktionierten wie ein gut geöltes Räderwerk einer Uhr, einer Zeitmesserin. In der Herrengasse, kurz vor dem Ziel, durfte ich auch noch einen Blick auf Eva Maria Gradwohl erhaschen als sie mich überholte. Gut getimt? 

Endzeit: Nach 2 Stunden 38 Minuten und 48 Sekunden bin ich 21,1 Kilometer gelaufen. So viele an einem Stück wie noch nie in meiner Lebenszeit zuvor. Ein gutes Gefühl die Ziellinie zu überqueren und die Stoppuhr anzuhalten, ein kurzer Triumph über die Zeit. Habe ich dich besiegt und dir etwas Persönliches für mich abgerungen!